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BAHASA INDONESIA 

- Die vielleicht einfachste Sprache der Welt -

von Timo Al-Farooq

Für den folgenden Artikel ist der Autor dieser Publikation verantwortlich.

 

Willkommen zu einer der am einfachsten zu erlernenden Sprachen der Welt. Einer Sprache, die auf dem ersten Blick weder Tempora, noch Genus und Artikel kennt, und nicht einmal Pluralendungen oder das Verb sein. Und dank blutiger zweihundertfünfzig-jähriger holländischer Kolonialherrschaft auch noch unser römisches Alphabet gebraucht. Zu schön um wahr zu sein? Nein!

 

Hier einige Kostproben: Bahasa Indonesia kennt keine Zeiten? Also wie erklärt man in Indonesien jemandem, dass man tags zuvor gebratenes Huhn mit Reis gegessen hat?

Hierzulande, wo wir nicht nur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sondern auch eine Vergangenheit in der Gegenwart (das Perfekt), eine Vergangenheit in der Vergangenheit! (das Plusquamperfekt) und sogar eine Vergangenheit in der Zukunft kennen?!! (das Futur II), wäre das kein Problem: „Gestern aß ich gebratenes Huhn mit Reis“ etwa. Oder wenn man dies am gleichen Tag vor hat: „Heute werde ich gebratenes Huhn mit Reis essen“.

Im Indonesischen, wenn am Vortag: Kemarin saya makan ayam goreng dengan nasi (Gestern ich essen Huhn gebraten mit Reis) oder wenn am gleichen Tag: Hari ini, saya makan ayam goreng dengan nasi (Tag diesen ich essen Huhn gebraten mit Reis). Ganz einfach also, ohne lästige Konjugationen und syntaktische Umstellungen.

Wo wir schon mal beim Essen sind, hier ein weiterer sprachlicher Leckerbissen: Im Indonesischen gibt es keine klassischen Artikel und kein Wort für sein? Ist in Indonesien also nie etwas? Natürlich doch, man prahlt nur nicht ständig damit herum, es gilt stattdessen die Devise „Sein ist wichtiger als Schein“. Somit heißt dann „Das Essen ist lecker“ ganz übersichtlich und lakonisch: Makanannya enak („Essen lecker“, das als bestimmter Artikel fungierende Suffix –nya dient hierbei eher als phonetisches Schmiermittel, ohne welches auch eine Bahasa Indonesia nicht auskommt). Und möchte man die Mahlzeit vom Vortag komplimentieren, heißt das dann „Gestern essen lecker“. Das mag bei Sprachgenies Hörstürze auslösen, klingt es doch holprig, unvollständig und rauhbeinig, hört sich aber im Indonesischen als Kemarin makanannya enak mit der richtigen Aussprache (also nicht der meiner weißen deutschen Kommilitonen im Uni-Sprachkurs, wo der Dozentin, einer Muttersprachlerin, nicht selten die Ohren weh taten) nicht nur vollständig, sondern geradezu geschmeidig und schön an.

Jaja, die Bahasa Indonesia, des Autodidakten Steckenpferd. Denn wieviele Sprachen kann man im Laufe eines dreiwöchigen Urlaubs quasi beiläufig erlernen, nicht nur in den Grundzügen, sondern konversationssicher mit einem ausreichenden Arsenal an Vokabular für Alltagssituationen, und das nur mit einem Sprachführer und Kontaktfreude bewaffnet? Thai oder Khmer sicher nicht. Böse Zungen behaupten sogar, Bahasa Indonesia sei genau das Richtige für Diejenigen, die in der Schule nie etwas verstanden, aber stets durch stupides Auswendiglernen geglänzt hätten (wie ich diese Leute immer gehasst hab!).

Dabei ist Bahasa Indonesia nicht nur einfach, sondern auch morphologisch interessant, metaphorisch und poetisch, geradezu verspielt. Ein Beispiel: das zusammengesetzte Wort matahari. Nein, gemeint ist nicht die Top-Spionin aus dem Ersten Weltkrieg; der Gegenstand, den dieses Wort beschreibt, hat schon im Mesozoikum Saurier zum Schwitzen gebracht. Neugierig? Des Rätsels Lösung: mata bedeutet „Auge“, hari „Tag“, macht aus matahari „Auge des Tages“, also: die Sonne! Und was ist mit dem Mond? Der heißt auf Bahasa bulan. Aber Moment mal: heißt bulan nicht auch Monat? Zufall? Nein: die Sherlocks unter den Lesern sind wohl längst dahintergestiegen: Mond und Monat heißen auf Indonesisch gleich (und sind bei uns auch etymologisch verwandt), weil der Mond bekanntlich etwa einen Monat braucht, um so schön prall und rund zu werden, damit Somnambulisten im Dunkeln sehen und Werwölfe ihren Spaß haben können. Sterne hingegen heißen unspektakulär bintang - nicht zu verwechseln mit binatang, was „Tier“ heißt – da ist den Sprachschöpfern wohl der Einfallsreichtum ausgegangen. Aber dafür gibt es eine Plethora an anderen sprachlichen Gaumenschmäusen: von kereta api (Feuerwagen = Eisenbahn) und air mata (Wasser des Auges = Träne) bis hin zu kupu-kupu malam (Nachtfalter = Prostituierte) und sakitan kotor (dreckige Krankheit = Geschlechtskrankheit)...die Liste indonesischer Kniffeleien ist witzig, diskriminierend, innovativ und schier endlos.

Das Besondere an Bahasa Indonesia ist nicht nur ihre Beschaffenheit, sondern auch ihr Status. Denn Indonesien ist - wie Indien oder die Philippinen - ein Vielvölkerstaat. Das bedeutet: verschiedenste Volksgruppen mit den verschiedensten Sprachen allesamt auf einem Fleck. Und wie Hindi auf dem Subkontinenten und Tagalog/Filipino auf den Phillies ist die Bahasa Indonesia ihrerseits - im Gegensatz zu Indien, wo es keine offiziellen Nationalsprachen gibt, stattdessen die zwei Amtssprachen Hindi und Englisch - allein­ver-antwortlich National- und Amtssprache zugleich. Und das für das gesamte Inselarchipel, von Sumatra bis West-Timor. Praktisch heißt das: Für jeden Indonesier, ob Javaner, Balinese, Sasak aus Lombok oder Bugis aus Nord-Sulawesi ist Bahasa Indonesia eigentlich eine Zweitsprache, der man unter Umständen erst in der Schule begegnet.

 

Doch wie kam es zu dieser Plansprache, die auf der natürlichen Sprache des Malaiischen basiert? In einer Nussschale zusammengefasst: Auf dem Höhepunkt der holländischen Fremdherrschaft in Südostasien reichte Niederländisch-Ostindien, wie die Holländer Indonesien nannten, von den Molukken im Osten bis zur Nordspitze Sumatras im Westen. Und in diesem weitläufigen Kolonialreich konnten der Batak auf Sumatra und der Bugis auf Sulawesi einander mangels einer gemeinsamen Sprache zumindest verbal ums Verrecken nicht erklären, wie sehr ihnen das Leben unter einer fremden Krone stank, die irgendwo am fernen Arsch der Welt beheimatet war. Dieses kollektive Schicksal, das Menschen von Aceh bis Ambon teilten, war die Geburtsstunde der Bahasa Indonesia. Denn eine gemeinsame Sprache vereint, und ist zur Bildung eines antikolonialen Nationalbewusst-seins äußerst hilfreich, wenn man ungebetene Langzeitgäste, die sich auch noch benehmen wie der letzte Rotz (also unterdrücken, ausbeuten, morden und vergewaltigen), dahin zurückschicken will, wo der Gouda wächst. Und da die Zeit drängte, verzichtete man auf die Schöpfung einer neuen Sprache und übernahm aus logistischen Erwägungen einfach das Malaiische, das damals im Archipel bereits Handelssprache war: Man gab ihm einen distinktiv indonesischen Anstrich und simsalabim, nannte das ganze Bahasa Indonesia. Positiver Nebeneffekt: Vier Jahre nach Verkündung der Unabhängigkeit und einem blutigen Unabhängigkeitskampf machten 1949 die Holländer auch endlich die Fliege und Indonesien wurde auch de-facto unabhängig.

 

Aber zurück zum Linguistischen: Wenn Sprache ein Spiegel der Mentalität ihrer Sprecher ist, dann sind Indonesier - je nach Lesart - ganz schön pragmatisch oder ziemlich sprech- und schreibfaul, zumindest was ihre Vorliebe für Akronyme angeht. Soll heißen: Die Polizei der Republik Indonesiens etwa ist nicht die Polizei der Republik Indonesiens, sondern die Polri (Kepolisian Republik Indonesia). Oder der Großraum Jakarta: dieser ist nicht der Großraum Jakarta, sondern der Jabodetabek, abgekürzt aus den Anfangsbuchstaben der Städte Jakarta, Bogor, Depok, Tangerang und Bekasi.

 

Aber auch nach unserem Sprachverständnis ein verhältnismäßig kurzer Terminus wie Timur Tengah (Osttimor, viersilbig) (sic! Timur Tengah steht für "Mittlerer Osten", WI!) wird liebevoll zu Timteng komprimiert. Und sogar vor nicht als abkürzungswürdig erscheinenden Worten wie „Volkswohl“ (kesejahteran rakyat) oder sozialpolitisch (sosial-politik) macht der Wahn nach Initialworten nicht halt: aus ihnen werden kurzum kesra und sospol. Getreu dem militärischen Motto: auch ein kleiner Gebietsgewinn ist ein großer Gewinn für die Moral der Truppe. Und so wird nach dieser scorched-earth-Taktik sprachlich völlig enthemmt alles kurzgemäht, was mehr als eine handvoll Silben hat, sehr zum Leidwesen einheimischer Philologen. Das indonesische Reinheitsgebot ging zeitweilen sogar soweit, dass die in der Sprache übliche Pluralbildung durch Verdopplung des Wortes (bei „Menschen“ also orang-orang) in der Schriftsprache dann wie folgt aussah: orang2. Das hatte mit Pragmatismus rein gar nichts mehr zu tun, sah es doch recht beschissen aus, wenn in einem Text alle paar Zeilen unter Buchstaben plötzlich Zahlen auftauchten, als hätte man vergessen, Fußnoten hochzustellen und zu verkleinern. Ob diese Praxis noch gängig ist, weiß ich nicht, ich hoffe nicht.

(Anmerkung der Red.: Das anfügen von Zahlen ist weiterhin üblich.)

 

Orwellscher Newspeak oder einfach nur Müßiggang? Darüber lässt sich streiten. Unterhaltsam ist die Sache aber alle Male. Denn stellen Sie sich vor, der Satz „Der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland hat auf einer Gipfelkonferenz der Außenminister in Kuala Lumpur seine Sorge vor dem wachsenden internationalen Terrorismus bekundet“ würde in einem immer fauler werdenen Deutschland dann so aussehen: „Der Aumi der Buredeu hat auf einer Giko der Aumi2 in Kulu seine Sorge vor dem wachsenden Interter bekundet.

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